Katerina by Appelfeld Aharon

Katerina by Appelfeld Aharon

Autor:Appelfeld, Aharon [Appelfeld, Aharon]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Herausgeber: Rowohlt E-Book
veröffentlicht: 2015-11-10T16:00:00+00:00


14

Im Februar wurde mein Sohn geboren, die Geburt war nicht schwer. Die Hebamme, eine alte Jüdin, verkündete sofort, der Junge habe gesunde Glieder und ein akzeptables Gewicht. Ich hatte große Schmerzen, war aber so aufgeregt, dass ich sie kaum spürte.

Am Tag darauf sagte ich zu meiner Zimmerwirtin, ich hätte vor, den Jungen beschneiden zu lassen und ihn Benjamin zu nennen. Meine Wirtin, eine einfache, fromme Frau, die einen Stand besaß, an dem sie Bonbons und Sonnenblumen verkaufte, war bestürzt: «Was fällt dir ein? Warum willst du dem Kind einen schweren Makel auferlegen? Es wird sein ganzes Leben lang darunter leiden.»

«Ich habe es mir geschworen», erklärte ich.

Sie sagte: «Ich verstehe dich nicht.»

Ich hatte Milch im Überfluss, ich stillte den Jungen morgens, mittags und abends. Seltsam, all die Jahre hatte ich nicht mehr an die Tochter gedacht, die ich in Moldoviţa geboren hatte, nun sah ich ihr Gesichtchen deutlich vor mir, wenn ich Benjamin stillte, und ein Schauer lief über meinen Körper. Doch die Trauer war nur vorübergehend. Ich war müde von der Geburt und vom Stillen, und wenn der Kleine einschlief, schlief auch ich. Ich dachte nicht viel, vielleicht dachte ich überhaupt nichts.

«Wo wohnt hier der Mohel?», fragte ich.

Das Gesicht der Frau war offen und ehrlich. «Wozu brauchst du ihn, warum?»

«Ich werde ihn bezahlen», sagte ich töricht.

Die Frau senkte den Kopf. «Er ist ein gottesfürchtiger Mann und wird so etwas nicht tun.»

Am nächsten Tag ging ich zum Bahnhof und fuhr aufs Land. Mein Gefühl sagte mir, in einem Dorf würde man es nicht so genau nehmen, aber schon bald musste ich feststellen, dass ich mich geirrt hatte. Viele Stunden verbrachte ich in abgelegenen Herbergen und bemühte mich mit ganzer Kraft, einen Mohel zu finden. Die Menschen, die ich unterwegs traf, ermutigten mich nicht. «Warum willst du das?», fragten sie, «man muss auf sein eigenes Leben achtgeben und auf das seiner Kinder.»

In einer der kleinen, engen Herbergen führte ich ein lehrreiches Gespräch mit einer Witwe. Die Frau redete zu mir wie eine Mutter. «Du strafst dein Kind mit eigenen Händen, siehst du denn nicht, was mit den Juden passiert? Kein Tag vergeht, ohne dass einer ermordet wird, und du, statt dein Kind zu schützen, willst ihm ein Gebrechen auferlegen. Wir haben keine Wahl, aber du willst ihm eigenhändig und aus freien Stücken ein schweres Schicksal bereiten.» Ihre Stimme war hart und aufrichtig, doch ich, ohne zu wissen, woher ich die Kraft nahm, wiederholte immer nur töricht denselben Satz: «Ich möchte, dass der Junge beschnitten wird.»

Ich zog von einem Dorf zum nächsten, von einer Herberge zur nächsten. In jedem Dorf wohnten ein paar Juden, und in jeder Herberge fand ich ruhige, wunderbare Menschen, die mir eine Tasse Kaffee brachten, doch von meinem Wunsch wollten sie nichts hören, und oft genug wiesen sie mich zurecht. Mehr als einmal hätte ich am liebsten den Mund aufgemacht und gesagt: Ich bin Ruthenin, Tochter von Ruthenen, aber das Schicksal hat mich von meinen Vätern weggerissen, und jetzt habe ich nichts mehr, was mich hält, nur die Häuser der Juden.



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